Kein Interesse an sauberen Autos?
Anmerkungen
zum Status bei der Kaufprämie für Elektroautos
Raimund Nowak - raimund.nowak@metropolregion.de
Im
Fußball liegt „die Wahrheit auf dem
Platz“. Bei staatlichen Förderungen für sauberere Fahrzeuge ist der Ort
der Wahrheit das BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). Dort kann man sich Geld
abholen, wenn man seinen alten Diesel sauberer machen will oder sich ein Elektroauto
kaufen möchte.
Die
momentane Lage: viel Geld – wenig Nachfrage. Woran liegt das?
Zählten doch Luftverschmutzung, Dieselskandale und der Zank um die Einführung
der Kaufprämie zu den großen Aufregerthemen. Wurde nicht erst vor wenigen
Monaten in Paris die Klimaweltrettung gefeiert?
Die
Fakten: Rund zwei Millionen ältere Dieselfahrzeuge können eine grüne Plakette bekommen, wenn ein Ruß-partikelfilter eingebaut wird. 260
Euro zahlt das BAFA für die 650 bis 1.500 Euro teure Nachrüstung dazu. 22
Millionen Euro wurden bereitgestellt. Nur rund 3,4 Millionen Euro sind bisher
abgeflossen.
Weit
mehr Geld hat der Bund für den Kauf von Elektroautos zur Verfügung gestellt.
300 Millionen Euro Bundesmittel liegen seit Anfang Juni 2016 bereit, um mit
2.000 Euro vollelektrische Autos oder mit 1.500 EuroHybridfahrzeuge zu fördern.
Das BAFA hat dafür zehn neue Stellen geschaffen, die aber bis zum 29. Juli 2016
lediglich 1.007 Anträge für die reine Elektroautos und 516 für die Autos, die
neben einem Verbrennungsmotor auch eine (kleine) mit Stecker aufladbare
Batterie besitzen. Die Förderbestimmungen sind übersichtlich und das
Antragsprocedere erfolgt online. Die Kollegen im Bafa werden bisher kaum an
Überlastung leiden. Mit der guten Ausstattung wollte der Bund wohl einen „Holperstart“
wie bei der Abwrackprämie im Jahr 2009 vermeiden. Dies ist gelungen. Klagen
über technische Mängel liegen nicht vor.
Die
erste Erkenntnis ist die übliche Differenz zwischen der öffentlicher Erregung
und dem tatsächlichen Verhalten. Das gilt für wohl alle Themen und hat sein
Gutes und Schlechtes. Natürlich ist man empört, aber „Lebbe geht weider“ sagte
schon Dragoslav-Stepanovic, eine hessisch-serbische Trainerikone.Und sicher hat
niemand erwartet, dass nach Bekanntwerden der tatsächlichen
Schadstoffbelastungen durch Dieselfahrzeuge eine Massenflucht aus dieser
Technologie einsetzt. In Deutschland fürchtet offensichtlich niemand ernsthaft,
dass es zu spürbaren Einschränkungen für den Autoverkehr – auch nicht für alte Diesel-Fahrzeuge – kommen wird. Selbst auf die relativ kleine Anstrengung zum Filtereinbau wird
verzichtet. Mit einer strikteren politischen Ansage wäre dieses Problem zu
lösen. In Deutschland, dem Vaterland des Diesel, werden wir darauf vermutlich
mit am längsten in Europa darauf warten.
Bei
den Elektroautos ist die Erklärung für den "lahmen" Markt deutlich komplizierter.
Zwei Gründe auf der Angebotsseite: Die E-Auto-Palette ist zu wenig
differenziert. Insbesondere im unteren Preissegment fehlen Modelle. Ein
Fahrzeug um die 10.000 Euro mit kleiner Batterie hätte sicher einen Markt.
Reichweite ist weniger wichtig, als der Preis. Hinzu kommt, dass derzeit
wichtige Umsatzträger gar nicht käuflich sind. Der Volkswagen e-up befindet
sich im Facelift und ist erst wieder zum Jahresende 2016 lieferbar. Auch den smart von Daimler wird es dann erst wieder in der E-Version geben. Für
Volkswagen und Daimler ist der Zeitpunkt der Einführung der Kaufprämie etwas
ungünstig. Nicht zuletzt deshalb klagt die Werbebranche über das Runterfahren
der Budgets zur Förderung des E-Autoabsatzes. Das ist in der Tat überraschend.
Bis auf Nissan haben die Autohersteller in diesem Jahr ihre Aufwendungen für
die E-Autowerbung reduziert!! Veranstalter von E-Autowerbeaktionen können ein
„Lied über die Beteiligungszurückhaltung der Autobranche“ singen. Die
Werbemillionen fließen in andere Maßnahmen. Und oft – auch das darf nicht
übersehen werden – kommt die versprochene Prämie von 4.000 Euro gar nicht beim
Kunden an. Das Bafa erstattet zwar brav 2.000 Euro, aber die Hersteller - bis auf
löbliche Ausnahmen - haben ihre bisherigen Rabattaktionen „angepasst“. Es fällt
auf, dass Renault im ersten Halbjahr in Deutschland von dem vollelektrischen
ZOE mit 1.300 Stück fast doppelt so viele verkauft hat wie Volkswagen mit
seinen beiden Konkurrenzmodellen e-up und e-Golf zusammen; und das auf dem Heimatmarkt. Der ZOE
bietet derzeit zwei Vorteile. Er ist lieferbar und besitzt die Fähigkeit zum
schnellen Wechselstromladen.
Damit sind wir bei den Rahmenbedingungen: Die
Ladeinfrastruktur muss sich an den Nutzerinteressen orientieren. Der
Stromverkauf an Ladesäulen ist nur in Ausnahmefällen – echtes Schnellladen an
Fernstraßen – ein Geschäftsmodell. Aufwändige Abrechnungssysteme verhindern - auch perspektivisch
gesehen - mehr als sie nützen. Das tatsächliche Ladeverhalten von E-Autonutzern
unterscheidet sich offensichtlich deutlich von den konstruierten Erwartungen
der Autoindustrie und einigen Ladeinfrastrukturanbietern. Natürlich müssen wir
große Anstrengungen unternehmen, um die richtige (!) Ladeinfrastruktur)
aufzunehmen. Aber (sehr) viele potenzielle E-Autokunden würden schon jetzt gut
zurechtkommen. Auch weil sie gar keine öffentliche Infrastruktur benötigen. Und
letztlich gilt es festzuhalten: Mindestens ein Viertel er Autofahrer könnten
bereits heute problemlos elektrisch unterwegs sein. Ihr Fahrprofil sieht (fast)
keine Fernfahrten vor und das Laden zuhause, am Arbeitsplatz und bei Handel und
Gastronomie ist ggf. sogar angenehmer als die Fahrt zur Tankstelle, wo auch
Schnellladesäulen hingehören. Diese Woche traf ich einen Fleischermeister mit
seinem vollelektrischen Kangoo. Hat seinen Sitz vor den Toren von Hannover und
er nutzt das Fahrzeug als innerstädtisches Lieferfahrzeug. Wenn ein
Fleischermeister das so sieht, müssten es nicht auch „andere Branchen“ genauso
sehen. Zum Beispiel die Firmen, die bei ihren Kunden auf hohes
Umweltbewusstsein setzen oder sich selbst als Technologietreiber verstehen? Wer
zum Beispiel Bio-Lebensmittel vertreibt oder in der erneuerbaren Energiebranche
aktiv ist und selbst mit dem Diesel unterwegs ist, der müsste doch vor Scham vergehen, wenn er das Elektroauto des
Fleischermeisters aus Langenhagen sieht.