Sonntag, 31. Juli 2016

Kein Interesse an sauberen Autos?
Anmerkungen zum Status bei der Kaufprämie für Elektroautos

Raimund Nowak - raimund.nowak@metropolregion.de



Im Fußball liegt „die Wahrheit auf dem Platz“. Bei staatlichen Förderungen für sauberere Fahrzeuge ist der Ort der Wahrheit das BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). Dort kann man sich Geld abholen, wenn man seinen alten Diesel sauberer machen will oder sich ein Elektroauto kaufen möchte.
Die momentane Lage: viel Geld – wenig Nachfrage. Woran liegt das? Zählten doch Luftverschmutzung, Dieselskandale und der Zank um die Einführung der Kaufprämie zu den großen Aufregerthemen. Wurde nicht erst vor wenigen Monaten in Paris die Klimaweltrettung gefeiert?
Die Fakten: Rund zwei Millionen ältere Dieselfahrzeuge können eine grüne Plakette bekommen, wenn ein Ruß-partikelfilter eingebaut wird. 260 Euro zahlt das BAFA für die 650 bis 1.500 Euro teure Nachrüstung dazu. 22 Millionen Euro wurden bereitgestellt. Nur rund 3,4 Millionen Euro sind bisher abgeflossen.
Weit mehr Geld hat der Bund für den Kauf von Elektroautos zur Verfügung gestellt. 300 Millionen Euro Bundesmittel liegen seit Anfang Juni 2016 bereit, um mit 2.000 Euro vollelektrische Autos oder mit 1.500 EuroHybridfahrzeuge zu fördern. Das BAFA hat dafür zehn neue Stellen geschaffen, die aber bis zum 29. Juli 2016 lediglich 1.007 Anträge für die reine Elektroautos und 516 für die Autos, die neben einem Verbrennungsmotor auch eine (kleine) mit Stecker aufladbare Batterie besitzen. Die Förderbestimmungen sind übersichtlich und das Antragsprocedere erfolgt online. Die Kollegen im Bafa werden bisher kaum an Überlastung leiden. Mit der guten Ausstattung wollte der Bund wohl einen „Holperstart“ wie bei der Abwrackprämie im Jahr 2009 vermeiden. Dies ist gelungen. Klagen über technische Mängel liegen nicht vor.
Die erste Erkenntnis ist die übliche Differenz zwischen der öffentlicher Erregung und dem tatsächlichen Verhalten. Das gilt für wohl alle Themen und hat sein Gutes und Schlechtes. Natürlich ist man empört, aber „Lebbe geht weider“ sagte schon Dragoslav-Stepanovic, eine hessisch-serbische Trainerikone.Und sicher hat niemand erwartet, dass nach Bekanntwerden der tatsächlichen Schadstoffbelastungen durch Dieselfahrzeuge eine Massenflucht aus dieser Technologie einsetzt. In Deutschland fürchtet offensichtlich niemand ernsthaft, dass es zu spürbaren Einschränkungen für den Autoverkehr – auch nicht für alte Diesel-Fahrzeuge – kommen wird. Selbst auf die relativ kleine Anstrengung zum Filtereinbau wird verzichtet. Mit einer strikteren politischen Ansage wäre dieses Problem zu lösen. In Deutschland, dem Vaterland des Diesel, werden wir darauf vermutlich mit am längsten in Europa darauf warten.
Bei den Elektroautos ist die Erklärung für den "lahmen" Markt deutlich komplizierter. Zwei Gründe auf der Angebotsseite: Die E-Auto-Palette ist zu wenig differenziert. Insbesondere im unteren Preissegment fehlen Modelle. Ein Fahrzeug um die 10.000 Euro mit kleiner Batterie hätte sicher einen Markt. Reichweite ist weniger wichtig, als der Preis. Hinzu kommt, dass derzeit wichtige Umsatzträger gar nicht käuflich sind. Der Volkswagen e-up befindet sich im Facelift und ist erst wieder zum Jahresende 2016 lieferbar. Auch den smart von Daimler wird es dann erst wieder in der E-Version geben. Für Volkswagen und Daimler ist der Zeitpunkt der Einführung der Kaufprämie etwas ungünstig. Nicht zuletzt deshalb klagt die Werbebranche über das Runterfahren der Budgets zur Förderung des E-Autoabsatzes. Das ist in der Tat überraschend. Bis auf Nissan haben die Autohersteller in diesem Jahr ihre Aufwendungen für die E-Autowerbung reduziert!! Veranstalter von E-Autowerbeaktionen können ein „Lied über die Beteiligungszurückhaltung der Autobranche“ singen. Die Werbemillionen fließen in andere Maßnahmen. Und oft – auch das darf nicht übersehen werden – kommt die versprochene Prämie von 4.000 Euro gar nicht beim Kunden an. Das Bafa erstattet zwar brav 2.000 Euro, aber die Hersteller - bis auf löbliche Ausnahmen - haben ihre bisherigen Rabattaktionen „angepasst“. Es fällt auf, dass Renault im ersten Halbjahr in Deutschland von dem vollelektrischen ZOE mit 1.300 Stück fast doppelt so viele verkauft hat wie Volkswagen mit seinen beiden Konkurrenzmodellen e-up und e-Golf zusammen; und das auf dem Heimatmarkt. Der ZOE bietet derzeit zwei Vorteile. Er ist lieferbar und besitzt die Fähigkeit zum schnellen Wechselstromladen. 

Damit sind wir bei den Rahmenbedingungen: Die Ladeinfrastruktur muss sich an den Nutzerinteressen orientieren. Der Stromverkauf an Ladesäulen ist nur in Ausnahmefällen – echtes Schnellladen an Fernstraßen – ein Geschäftsmodell. Aufwändige Abrechnungssysteme verhindern - auch perspektivisch gesehen - mehr als sie nützen. Das tatsächliche Ladeverhalten von E-Autonutzern unterscheidet sich offensichtlich deutlich von den konstruierten Erwartungen der Autoindustrie und einigen Ladeinfrastrukturanbietern. Natürlich müssen wir große Anstrengungen unternehmen, um die richtige (!) Ladeinfrastruktur) aufzunehmen. Aber (sehr) viele potenzielle E-Autokunden würden schon jetzt gut zurechtkommen. Auch weil sie gar keine öffentliche Infrastruktur benötigen. Und letztlich gilt es festzuhalten: Mindestens ein Viertel er Autofahrer könnten bereits heute problemlos elektrisch unterwegs sein. Ihr Fahrprofil sieht (fast) keine Fernfahrten vor und das Laden zuhause, am Arbeitsplatz und bei Handel und Gastronomie ist ggf. sogar angenehmer als die Fahrt zur Tankstelle, wo auch Schnellladesäulen hingehören. Diese Woche traf ich einen Fleischermeister mit seinem vollelektrischen Kangoo. Hat seinen Sitz vor den Toren von Hannover und er nutzt das Fahrzeug als innerstädtisches Lieferfahrzeug. Wenn ein Fleischermeister das so sieht, müssten es nicht auch „andere Branchen“ genauso sehen. Zum Beispiel die Firmen, die bei ihren Kunden auf hohes Umweltbewusstsein setzen oder sich selbst als Technologietreiber verstehen? Wer zum Beispiel Bio-Lebensmittel vertreibt oder in der erneuerbaren Energiebranche aktiv ist und selbst mit dem Diesel unterwegs ist, der müsste doch vor Scham vergehen, wenn er das Elektroauto des Fleischermeisters aus Langenhagen sieht.

Montag, 25. Juli 2016

Kommunale Saugkehrmaschine als Hybrid


Vor Kurzem stellte Kärcher den Prototyp einer kommunalen Saugkehrmaschine mit Plug-in-Hybrid-Antrieb vor. Die Herausforderung bei der Entwicklung bestand laut Hersteller darin, sowohl Fahrantrieb als auch Arbeitsaggregate zu elektrifizieren – und das auf engstem Raum in einem Fahrzeug mit Knicklenkung.

Zentraler Energiespeicher des Plug-in-Hybrids ist die Batterie. Sie kann über eine externe Stromquelle oder vom Verbrennungsmotor geladen werden. Die Elektromotoren für Antrieb, Kehrbesen und Absaugung werden bedarfsgerecht mit elektrischer Energie aus der Batterie versorgt. Die Plug-in-Hybride basieren auf der kommunalen Saugkehrmaschine MC 50. Die 1,09 m breite Maschine ist dank eines inneren Wendekreises von nur 70 Zentimetern besonders beweglich. In der verglasten Kabine hat der Anwender das Arbeitsumfeld stets im Blick. Der Komfort der MC 50 bleibt auch erhalten: So muss weder im elektrischen Betrieb noch bei zugeschaltetem Verbrennungsmotor auf die Klimaanlage verzichtet werden.

Montag, 11. Juli 2016

Elektrisch in Zarpen

Anmerkungen zum Treffen der Norddeutschen E-Community am 9.7. 

Am vergangenen Samstag war ich auf dem Treffen der norddeutschen E-Mobilisten in dem Ort Zarpen bei Lübeck. Es war ein Communitytreffen. Also ein Event ohne kommerziellen Hintergrund, frei von staatlicher Förderung, ohne Grußworte und mit viel Vertrauen auf die Selbstorganisationsfähigkeit der Teilnehmer. Laut Organisator Kai Fischer hat sich die Teilnehmerzahl (ca 200?) gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Was ist mir aufgefallen?
Die „First Mover Szene“ fährt  Mode S, ZOE oder Leaf. Die „heimischen Marken“ waren kaum zu sehen. Im Autoland Deutschland bestimmen ausländische Firmen die vollelektrische Szene. Ist zum Teil offensichtlich auch ein Imageproblem. Kein Problem war die Stromversorgung. Belegte meine These, dass mit gutem Willen und etwas Sachkenntnis das akute Ladeinfrastrukturproblem schnell gelöst werden kann. Gut gefallen hat mir der Strom aus der Kirche und die Schnellladestation in Reinfeld bei Famila. Du fährst an Autohäusern und Tankstellen vorbei und lädst dann beim Drogeriemarkt (ist schon ein bisschen seltsam). Was mich umtreibt ist die Frage, wie man das vorhandene Nutzerwissen in die wichtigen Entscheidungsprozesse integriert. Kai Fischer hat die ganze Problematik von unausgereiften Förderrichtlinien, schlecht informierten Politikern und administrativen Unwillen in einem Vortrag dargestellt. Nun hilft das Singen von Klageliedern, auch über die Strategien der deutschen Hersteller wenig. War übrigens nirgendwo ein Hybrid (Plug-In) zu sehen. Die Nutzerszene muss mehr Einfluss bekommen, sonst geht es nicht schnell genug voran. Dafür muss sich die Szene bewegen und mehr dort hingehen wo Entscheidungen fallen und die eine oder andere Berührungsangst verlieren. Und natürlich müssen die Entscheidungsebenen in Polititk, Verwaltung und Wirtschaft bereit sein, sich mehr mit der Praxis zu beschäftigen und die Strategien an den Kunden auszurichten. Gefallen hat mir, dass sich viele Teilnehmer auch in die Vorträge und Diskussionsrunden begeben haben. Immer im Auto hocken bringt uns nicht weiter – auch wenn ein Elektromotor drin ist. Der Vortrag über die selbstdurchgeführten Feinstaubmessungen von Aike Müller sollte unbedingt mehr Verbreitung finden. Für unsere Metropolregion bleibt auch ein bisschen die Erkenntnis, dass doch relativ viele Teilnehmer aus unserem Raum in der Mitte und dem Süden Niedersachsen gekommen sind. Matthias Schmidt (mms-concept- Elektromotrräder) und ich durften ja sogar vortragen.


Raimund Nowak