von Raimund Nowak
Das Dilemma der deutschen Elektromobilitätspolitik wurde im
April 2016 in zwei Ereignissen deutlich. In Leipzig fand eine Ergebniskonferenz
des Programms Schaufenster Elektromobilität statt. Die Erkenntnisse der mit
rund 200 Millionen Staatsgeld geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekte
fanden nur in einem sehr geringen Umfang das Interesse von Medien und
Entscheidungsebenen. Nur ein paar Tage später verkündete die Bundesregierung
eine Kaufpreisprämie für Elektroautos. Hier war die Resonanz hoch, aber
überwiegend ablehnend.
Die Verkehrswende kommt nicht voran. Woran liegt das? Laut
Adorno gibt es kein richtiges Leben im falschen. Im Kontext einer verfehlten
Verkehrs- und Subventionspolitik kann die isolierte Bewertung der Prämien für
den Kauf von Elektroautos leicht kritisiert werden. Allerdings ist die
Entscheidung, diese verkaufshemmende Debatte über die Prämien endlich
aufzulösen, richtig.
Natürlich wäre es besser gewesen, die Kanzlerin hätte nicht
zu einem Auto-, sondern zum Verkehrsgipfel geladen und dann am nächsten
Vormittag die große Verkehrswende verkündet. Hat sie nicht und wäre derzeit
auch nicht vorstellbar. Bei den großen, finanziell bedeutsamen Entscheidungen,
siehe Bundesverkehrswegeplan oder Dieselbesteuerung wird deutlich, wie weit
Deutschland von einer nennenswerten Verkehrs-wende entfernt ist. Das wäre ein
Grund zur verkehrspolitischen Erregung und nicht die Zahlung von Kaufprämien
für Fahrzeuge, die in den Innenstädten keine krebserregenden Stoffe ausstoßen,
die Bewohner mit weniger Lärm traktieren und das Potenzial für einen
klimaneutralen Betrieb besitzen.
Bei der rund 600 Millionen Euro teuren Entscheidung zur
Zahlung der Kaufprämien sind Etatsorgen unangebracht. Was hier in drei Jahren
an Prämien gezahlt werden wird, macht ein Zehntel der jährlichen
Einnahmeausfälle durch eine niedrigere Besteuerung von Dieselfahrzeugen aus.
Deren Wirkung auf das Stadtleben und das Klima kennen wir. Bis zum Jahr 2020
könnte der Staat rund 20 Milliarden Steuern mehr einnehmen, wenn er Diesel wie
Benzin besteuern würde. Die Haushaltbelastung durch das Dienstwagenprivileg
liegt bei etwa vier Milliarden Euro jährlich. Von diesen Subventionen
profitieren am stärksten die Nutzer großer und teurer Fahrzeuge. Bei einer
festen Kaufpreisprämie wird das günstigste Fahrzeug am höchsten gefördert.
Soziale Gerechtigkeitsaspekte können gegen die Kaufprämie schwer ins Feld
geführt werden. Der so häufig erhobene Vorwurf, Elektrofahrzeuge seien
Spielzeuge reicher Menschen ist schlichtester Populismus. Ein Besuch bei den
häufig veranstalteten „Elektromobilisten-Treffen“ würde reichen, um sich ein
Bild von der Realität zu verschaffen.
Natürlich hätte man sich auch andere Ergebnisse von dem
nächtlichen Elektromobilitätsgipfel im Kanzleramt vorstellen können. Klug wäre
es gewesen, die Aufmerksamkeit nicht nur auf PKW‘s zu richten. Es fehlt ein gut
ausgestattetes Förderprogramm für vollelektrische Linienbusse und eine Prämie
für den Kauf von elektrischen Lastenfahrrädern. Der Bau von einem Kilometer
Radschnellweg kostet ein Bruchteil von dem einer Autobahn. Wer eine Million
Elektro-PKW als Ziel setzt, könnte auch 1.000 Kilometer Radschnellwege, 5.000
Elektrobusse und 10.000 eCargo-Bikes sagen. Eine solche Zielsetzung macht nicht
nur vermittlungstechnisch Sinn.
Als „Reaktion auf die Missachtung von Grenzwerten“ hätten
die Automobilhersteller „motiviert “ werden können, an jedem Autohaus
leistungsstarke Stromtankstellen auf eigene Kosten zu errichten; ohnehin
müssten die Hersteller ihre Niederlassungen zu Mobilitätszentren umbauen. Die
Autobranche könnte ihre Finanzkraft und politische Durchsetzungsfähigkeit dafür
nutzen, 400 neue Windkraftanlagen entlang von Fernstraßen aufzubauen. Damit
wäre der Strombedarf für eine Million Elektroautos gedeckt, Klimabedenken
reduziert und etwas für die Energiewende getan worden. Um die Hersteller zum
Bau kostengünstiger Elektroautos zu bewegen, hätten Bund, Länder und Kommunen –
auch die gehören auf einen Gipfel – einige Ankündigungen machen können. Die
Städte könnten bundesweit 100.000 Stellplätze für Car-Sharing Autos an
prominenten Plätzen anbieten, vorausgesetzt die Autos fahren mit Elektromotor
und kosten unter 10.000 Euro. Dies wäre bei der benötigten kürzeren Reichweite
sicher innerhalb von zwei Jahren darstellbar. Dies würde zudem den Markt im
unteren Marktsegment deutlich antreiben. Bund und Land könnten sagen, man wolle
ab 2020 Polizei und Notärzte mit Elektromotorrädern ausstatten und den
gehobenen Fuhrpark dann nur noch elektrisch betreiben. Dann hätte man verkünden
können, dass allen Ladesäulenbetreibern im öffentlichen Raum für 12 Monate die
Stromkosten erstattet würden, wenn sie bis zur Jahresmitte 2017 den Strom
kostenlos abgeben und am Ende eine kundenfreundliche einheitliche Lösung für
den Zugang zu den Ladesäulen geschaffen hätten.
Dies ist nur eine Auswahl möglicher Ergebnisse eines
Elektroautogipfels. Wäre es so gekommen, hätte vermutlich niemand mehr nach
einer Kaufprämie gefragt. In der aktuellen Lage und angesichts des schwindenden
Vertrauens in die Haltbarkeit von politischen Beschlüssen ist der
Prämienbeschluss vertretbar. Jetzt herrscht zumindest bis zur Bundestagswahl Klarheit.
Hoffentlich gehen die Automobilhersteller mit der Lage klug um und sorgen
einmal für eine positive Überraschung. So könnte auch die tatsächliche
Zukunftsfähigkeit der Hybridtechnologie überdacht werden.
Die Autobauer haben nun die große Chance der Imagekorrektur.
An den Finanzen dürfte es vorerst nicht scheitern – weder bei der
Automobilindustrie noch beim Staat. Letzterer braucht Mut, die Finanzströme in
der Verkehrspolitik umzulenken sowie eine schnelle Bereitschaft, für E-Busse
ein Sonderprogramm auf die Beine zu stellen. Millionen Großstadtlungen werden
es ihm danken. Es geht um Alternativen zum Auto, aber auch um alternative
Autos. Hier hat das Rennen gerade erst begonnen.
Die deutschen Autobauer wären sicher gut beraten, mehr als
2.000 Euro Rabatt auf Elektroautos zu geben. Noch(!) sind es vergleichsweise
kleine Beträge, mit denen man in der Weltliga der Elektroautos oben mitspielen
kann. So müsste etwa Volkswagen seine beiden Elektroautos e-up! und e-Golf
weltweit bis zu 25% günstiger verkaufen. Technisch gehören beide Modelle zu den
Besten, die auf dem Markt sind – merkt nur kaum jemand. Die Entscheidungen,
kein elektrisches Lieferfahrzeug zu bauen und sich beim E-Bulli an Studien
abzuarbeiten, müssten schnellstens korrigiert werden.
Die Hybridstrategie gehört zumindest hinterfragt,
Kaufprämien für Hybride machen gar keinen Sinn. Hier zeigt sich wieviel
Einfluss noch die Öl-Riege in den Konzernen und diese auf die Politik haben.
Der große Vorteil der Kaufprämie wird sein, dass viel mehr Menschen eigene
Erfahrungen mit der Elektromobilität machen. Dabei merken sie dann, dass etwa
die von desinteressierten oder schlecht informierten Kreisen geschürten
Reichweitenängste oder das Ladesäulendefizit überbetont werden. Die Hersteller
sollten den Umstieg auf alternative Antriebe zu einer Politik der neuen
Ehrlichkeit nutzen. Es gibt keinen Grund, bei Stromverbrauch und Reichweiten zu
tricksen. Die Kunden können ohne teure Messgeräte die Wahrheit feststellen.
Deutschland und die meisten Länder der EU drohen in
Produktion alternativer Fahrzeuge und der Umsetzung alternativer
Verkehrskonzepte abgehängt zu werden. Elektroautos durch Kaufprämien
attraktiver zu machen, ist sicher nur ein kleiner Schritt; in der aktuellen
Lage jedoch in die richtige Richtung. Wo genau es bei der Elektromobilität
hingeht, ist allerdings weiterhin ungeklärt. Klug wäre es, das Wissen aus den
gut geförderten Schaufenster-Projekten und die Erfahrungen der aktiven
Elektroautofahrer zu nutzen.
Um Elektromobilität erfahrbar zu machen, veranstaltet das Amt electric der Metropolregion die electric summer lounge. An mehreren Terminen können in entspannter Atmosphäre Informationen gesammelt und Elektrofahrzeuge ausprobiert werden.
Um Elektromobilität erfahrbar zu machen, veranstaltet das Amt electric der Metropolregion die electric summer lounge. An mehreren Terminen können in entspannter Atmosphäre Informationen gesammelt und Elektrofahrzeuge ausprobiert werden.
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